Das Schuschnigg-Marterl an der Bundesstraße
Samstag, 13. Juli 1935. Ein heißer Hochsommertag. Kanzler Schuschnigg war um 9.30 Uhr mit seiner Gemahlin und seinem Sohn von Wien nach St.Gilgen am Wolfgangsee abgereist, wo die Familie den Sommer zu verbringen gedachte. Die Schuschniggs - Kurt, Herma und der neunjährige Sohn - reisten in einem zwei Tonnen schweren Gräf & Stift. Chauffeur Tichy lenkte den Wagen, in dem sich außerdem noch ein Kindermädchen, Alice Ottenreiter, sowie ein Kriminalbeamter, Josef Punkenhofer, befanden. Dahinter folgten Oberstleutnant Barl und Gendarmeriemajor Kern in einem eigenen Auto. Sie hatten gerade die Strengberge überwunden und befanden sich nach drei Stunden Fahrt um die Mittagszeit auf der Reichsstraße zwischen Asten und Ebelsberg, als nahe des heutigen Pichlingersees das Unglück passierte: Aus zunächst ungeklärter Ursache kam der Kanzlerwagen von der Straße ab, prallte mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 Stundenkilometern gegen einen Birnbaum und wurde durch die Wucht des Anpralls aufgerissen. Dabei wurde das Kanzlerpaar aus dem Fond geschleudert. Kurt Schuschnigg fiel in die Bewusstlosigkeit, kam aber, abgesehen von einem Schulterbeinbruch, ohne gröbere Blessuren davon.
Seine Gattin hingegen dürfte während des Aufpralls gegen das Autodach gestoßen bzw. derart unglücklich gelandet sein, so dass sie sich einen Bruch der oberen Wirbelsäule zuzog und augenblicklich verstarb. Für die anderen Insassen des Unfallfahrzeugs verlief der Unfall weitaus glimpflicher: Der Chauffeur zog sich mehrere Brüche zu. Der kleine Kurt erlitt durch das splitternde Glas der Windschutzscheibe Schnittwunden im Gesicht. Sein Kindermädchen blieb gänzlich unverletzt.
Die nachfolgenden Adjutanten leisteten sofort erste Hilfe und löschten den entstandenen Brand des Vergasers. Sie hielten einen Motorradfahrer an, der die Meldung nach Ebelsberg überbrachte, wo um 12.31 Uhr eine Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr mit ihrem Korpsarzt Dr. Achleitner alarmiert wurde. Außerdem wurde ein zufällig per Fahrrad vorbeikommender Arbeiter der Zuckerfabrik nach Enns geschickt um Hilfe zu holen. Nur wenig später trafen auch die Kleinmünchner sowie die Ennser Rettungsabteilung am Unfallort ein.
Während die Verletzten bereits mit Privatfahrzeugen zur Weiterversorgung ins Krankenhaus der Barmherzigen Brüder nach Linz gebracht wurden, transportierte man den Leichnam Herma von Schuschniggs nach Ebelsberg und bahrte ihn im Totengräberhäusl des Friedhofs auf. Als der Kanzler vom Tod seiner Gemahlin erfuhr, begab er sich in Begleitung von Landeshauptmann Gleißner und Sicherheitsdirektor Revertera augenblicklich nach Ebelsberg. Nachdem er einige Zeit alleine an der Bahre verbracht und an der Segnung teilgenommen hatte, wurde der Sarg um 17 Uhr ins Kloster der Karmelitinnen überstellt. Am darauf folgenden Tag brachte man die Tote mit dem Zug nach Wien.
Ersten Gerüchten zufolge sprach man von einem Attentat. Dann hieß es, dem Fahrer wäre plötzlich unwohl geworden, und er hätte in Folge dessen die Kontrolle über den Wagen verloren. Es war auch davon die Rede, dass Herma von Schuschnigg - nicht im Besitz einer Lenkberechtigung - selbst gefahren sei. Rasch dementierte man und erklärte, ein technischer Defekt am Wagen hätte zum Unfall geführt. Es wäre ein „Flattern“ der Lenkung aufgetreten, worauf sich das linke Vorderrad - 1935 herrschte in Österreich noch Linksverkehr - im Straßengraben verfing, ein Stein das Differenzial beschädigte und das Auto damit manövrierunfähig machte.
Nur wenige Tage nach dem Unglück wurde von der Vaterländischen Front an der Unfallstelle ein zwei Meter hohes, den Namen der Verstorbenen tragendes Holzkreuz errichtet. Später errichtete man anstatt des Kreuzes ein massives Marterl, das eine Marienstatue aus Holz in sich trug.
In dieser Zeit des klerikalen Austrofaschismus zog das Marterl immer wieder Vandalenakte auf sich - insbesondere, als die Aktivitäten der (noch) illegalen Nationalsozialisten zunahmen. Beispielsweise wurde die Statue der „Schmerzhaften Gottesmutter“ am Ostermontag 1938 von der Kapelle heruntergerissen, teilweise zerstört und in den Straßengraben geworfen. Die Ebelsberger Pfarrchronik berichtet: „Die Beschädigung und die Verunreinigung wurde durch die Gemeinde Markt St. Florian, die das Denkmal bei der feierlichen Eiweihung der Kapelle durch den Prälaten Dr. Vinzenz Hartl von St. Florian in ihre Obhut genommen hatte, behoben. Aber was geschah weiter? In der Nacht von 13. auf den 14. Juli 1938 wurde von ebenso ruchloser Hand wie am Ostermontag die Kapelle demontiert, das Dach ganz herabgerissen (samt dem Gebälke) und die Statue in Trümmer geschlagen. Wir würden nichts sagen wenn wir es als Zerstörungswut bezeichnen könnten, aber es ist Hass gegen Gott, gegen den Glauben, gegen Religion und Kirche; es ist eine Pietätlosigkeit, die jeder menschlichen Gefühle fern ist. Man möchte weinen! So tieftraurig sind solche Geschehnisse! Wo ist der Baum der solche Früchte fertigt!“ Mit dem Baum, den Pfarrer Piberhofer in der Chronik bildhaft ansprach, war der Nationalsozialismus gemeint, welcher alsbald auch nach Österreich überschwappen sollte und anschließßend die Macht ergriff. In Folge wurde das Marterl entfernt und in einen Graben neben der Schiltenbergstraße geworfen, wo es bis 1948 lag. Schließlich wurde es wieder aufgebaut und am 13. Juli 1948 eingeweiht. Der Schuschniggunfall ist nur einer von vielen, wahrscheinlich aber das spektakulärste Verkehrsunglück auf der heutigen Bundesstraße zwischen Asten und Ebelsberg.
Dass gerade jenes Straßenstück beim Tagerfeld am jetzigen Pichlingersee in den vergangenen Jahrzehnten zur Unfallhäufungsstelle wurde, gibt jedoch Anlass zu verschiedensten Spekulationen. Laut mehreren Wünschelrutengängern seien Erdmagnetfelder und Wasseradern für ein Störungsfeld und somit für zahlreiche Unfälle verantwortlich. Carrington Manfred, Andreas Reiter
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